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Chancen und Herausforderungen offener Immobilienfonds im aktuellen Marktumfeld

Das Icon für einen IntReal Gastbeitrag

22. Jan 2024

Gastbeitrag von Michael Schneider, Geschäftsführer, INTREAL in der aktuellen Ausgabe der Immobilien & Finanzierung

Derzeit wirken viele tendenziell eher negative Einflüsse auf den Markt der Offenen Immobilien-Publikumsfonds und Immobilien-Spezialfonds. Das allgemein rauer werdende Immobilienklima, wachsender Abwertungsdruck, wenige Transaktionen, die die Preisfindung erschweren, ein Umfeld, das eher schlecht für Verkäufer ist, die Rückkehr des Zinses, die steigende Attraktivität alternativer Anlagen aus Investorensicht. All das führte dazu, dass Anleger im September zum zweiten Mal in Folge mehr Mittel aus Immobilien-Publikumsfonds abgezogen als neu investiert haben. Die hohen Zufluss- und Wachstumsraten der vergangenen Jahre werden also so schnell erst einmal nicht wieder erreicht werden. Trotzdem ist die Anlageklasse weiterhin attraktiv, wie der Autor in diesem Beitrag betont. Und zwar für Privatanleger ebenso wie professionelle Investoren.

Die Immobilienwirtschaft hatte sich in den zurückliegenden anderthalb bis zwei Jahren mit einer fundamentalen Veränderung der für sie relevanten Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen. Diese betrafen – direkt oder indirekt – auch das Segment der offenen Immobilienfonds. Wer zu Jahresbeginn 2024 einen Ausblick auf die Entwicklung dieses Marktsegments in den kommenden Monaten wagen will, muss bei diesen Veränderungen ansetzen. An erster Stelle steht hierbei die Entwicklung des Zinsniveaus. Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen über mehr als ein halbes Jahrzehnt bei Null und insgesamt rund zehn Jahre unterhalb von Null belassen hatte, kam es im Sommer 2022 zu einem Wechsel ihrer Zinspolitik. Auf die jahrelange Null- und Niedrigzinsphase folgten innerhalb von nur einem Jahr zehn Leitzinserhöhungen.

Parallel dazu setzten – nach mehreren Jahren mit relativ geringen Inflationsraten – Preissteigerungen ein, die vor allem bei Baumaterialien oft deutlich stärker ausfielen als die zeitgleichen Anstiege des Verbraucherpreisindex. Hatten die geringen Finanzierungskosten die steigenden Baukosten anfangs noch wenigstens teilweise kompensieren können, so machten sich diese vor dem Hintergrund steigender Zinsen umso drastischer bemerkbar.

Insbesondere Immobilienprojektentwickler wurden von diesem Szenario massiv getroffen, und zahlreiche Projekte mussten neu kalkuliert werden beziehungsweise haben sich verzögert oder wurden gar komplett gestoppt. Bestandshalter – darunter auch die offenen Immobilienpublikums- und -spezialfonds – mussten sich dagegen zwar mit steigenden Nebenkosten, insbesondere mit höheren Energiepreisen und Marktzins-bedingten niedrigeren Verkehrswerten auseinandersetzen, profitierten aber in der Regel von weiterhin stabilen oder steigenden Mieterträgen.

Dies gilt in Deutschland angesichts der vielerorts unvermindert angespannten Mietwohnungsmärkte vor allem für Wohnimmobilien, aber ebenso für die meisten Segmente des Gewerbeimmobilienmarktes, wo in den zurückliegenden Jahren im Vergleich zu früheren Marktzyklen deutlich weniger spekulativ gebaut wurde und die hohen Inflationsraten zu deutlichen indexgebundenen Mietsteigerungen führen.

Weiteres Wachstum – bei geringerer Wachstumsdynamik

Vor diesem Hintergrund konnten die offenen Immobilienfonds bislang auch weiteres Wachstum verzeichnen, wenngleich die Wachstumsdynamik sich im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verringerte. So erhöhte sich das Nettofondsvermögen der Immobilien-Spezialfonds nach Analysen der Deutschen Bundesbank in den ersten neun Monaten 2023 um 4,4 Milliarden Euro auf 177,9 Milliarden Euro. Die Nettomittelzuflüsse beliefen sich im selben Zeitraum auf 6,5 Milliarden Euro. Damit konnten die Fonds weiterhin beträchtliche Zuflüsse verzeichnen, auch wenn diese um 40 Prozent niedriger lagen als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.

Von Januar bis September 2022 waren den Immobilien-Spezialfonds noch 11,1 Milliarden Euro zugeflossen. Die Zuflüsse betreffen sowohl bestehende als auch neu aufgelegte Fonds. Die Zahl der neuen Fonds war zwar zuletzt rückläufig, es wurden jedoch nach wie vor auch neue Fonds aufgelegt. Vor allem solche Fonds, die in die Nutzungsarten Wohnen, Logistik und Lebensmitteleinzelhandel investieren, werden weiterhin initiiert und gezeichnet. Zudem haben bereits aufgelegte Fonds noch bestehende Kapitalzusagen, die sukzessive abgerufen und gezielt in sich jetzt ergebende Opportunitäten investiert werden, beispielsweise in ausgewählte Büro- und Behördengebäude.

Bei den Publikumsfonds stieg das Nettofondsvermögen in den ersten neun Monaten 2023 insgesamt um 1,3 Milliarden Euro auf 132,3 Milliarden Euro. Damit lagen die Nettomittelzuflüsse um rund 70 Prozent niedriger als im entsprechenden Vergleichszeitraum des Vorjahres, in dem sie sich auf 4,2 Milliarden Euro summiert hatten. Ungeachtet des stärkeren Rückgangs konnten jedoch auch die Publikumsfonds per saldo ein leichtes Wachstum verzeichnen.

Im Laufe des Jahres 2024 werden möglicherweise höhere Rückgaben im Rahmen der vertraglichen Kündigungsfristen von 24 beziehungsweise 12 Monaten zu beobachten sein, denn nach Jahren mit überdurchschnittlichem Wachstum erreicht der Markt der offenen Immobilienfonds nun eine Konsolidierungsphase, in der auf absehbare Zeit nicht mehr mit den hohen Zufluss- und Wachstumsraten der vergangenen Jahre zu rechnen sein und sich der Markt auf einem niedrigeren Niveau einpendeln dürfte. Hierbei spielen vor allem auch die aktuell wieder bestehenden Anlagealternativen im Bereich der Zinsanlagen eine Rolle, die Investoren während der mehrjährigen Nullzinsphase faktisch nicht mehr zur Verfügung gestanden hatten und nun wieder im Wettbewerb zu den Immobilienfonds gesehen werden.

Mit Blick auf die Entwicklung der beiden Kategorien offener Immobilienfonds ist dies jedoch kein Grund für Pessimismus. Denn sollte sich das langfristige Zinsniveau auf dem aktuellen Niveau stabilisieren oder sogar wieder etwas fallen, bleiben Immobilienfondsanlagen eine sehr attraktive Anlageklasse im Rahmen der risikodiversifizierten Portfolioallokation. Das gilt in besonderem Maße für jene Investoren, für die kalkulierbare laufende Ausschüttungen von besonderer Bedeutung sind, weil sie beispielsweise gegebene Leistungszusagen an Versicherte einhalten müssen.

Kein Grund für Pessimismus

Aus diesem Grund kommt es bei Immobilien-Spezialfonds aktuell kaum zu Rückgabewünschen vonseiten der institutionellen Anleger. Werden entsprechende Anliegen vorgebracht, entschließen sich die betreffenden langfristig orientierten Investoren häufig dazu, das Fondsengagement letztlich doch fortzusetzen, weil anderenfalls ein Immobilienverkauf notwendig, im aktuellen Immobilienmarktumfeld jedoch nicht attraktiv wäre. Zudem beobachten viele professionelle Investoren den Immobilienmarkt derzeit genau, um den richtigen Zeitpunkt für neue Investitionsmöglichkeiten nicht zu verpassen, die dann wiederum zu weiteren Fondsauflagen oder Akquisitionen bereits bestehender Fonds führen können.

Bei den Publikumsfonds hingegen sind es – abgesehen von den wirksamen vertraglichen Kündigungsfristen – zum einen die hohen Liquiditäts- und Vermietungsquoten und zum anderen die geringen Fremdfinanzierungsquoten, die zuversichtlich stimmen. Hier haben die Fondsmanager auch bei temporären höheren Mittelabflüssen relativ viele Handlungsmöglichkeiten, um diese abzufedern, bevor eventuell zu unpassenden Zeiten Immobilien veräußert oder gar Schließungen von Fonds erwogen werden müssten.

Dazu kommt noch ein weiterer Aspekt: Im Unterschied zur Situation vor 15 oder 20 Jahren sind offene Immobilienfonds heute ein etabliertes Anlagevehikel für institutionelle wie private Investoren und die Assetklasse Immobilien ist für sie längst ebenso selbstverständlicher Bestandteil einer ausgewogenen Portfolioallokation wie es festverzinsliche Wertpapiere und Aktien seit jeher sind. Zwischen den einzelnen Assetklassen wechselnde Gewichtungen als Reaktion auf aktuelle Marktentwicklungen sind normal, doch ist nicht davon auszugehen, dass Immobilien jemals wieder den Charakter von exotischen Nischeninvestments erhalten werden, der ihnen in den Augen vieler institutioneller Investoren früher anhaftete.

Indikationen zu Investorenpräferenzen

Diese Einschätzung wird gestützt durch Ergebnisse einer von Intreal im Herbst 2023 durchgeführten Investorenbefragung, bei der etwa zwei Drittel der Befragten angaben, ihre Immobilienfondsquote im Jahr 2024 konstant halten zu wollen. Knapp 28 Prozent planen eine Reduzierung, gut 4 Prozent streben sogar eine Erhöhung an. Unter den verschiedenen Immobilien-Nutzungsarten werden Logistikimmobilien, Wohnungen und Einzelhandelsimmobilien (Nahversorger) mit deutlichem Abstand als attraktivste Assetklassen angesehen. Geografisch stehen vor allem Deutschland und Europa im Mittelpunkt des Anlegerinteresses. Diese beiden Zielregionen kommen für knapp 80 Prozent beziehungsweise rund 65 Prozent der Umfrageteilnehmer infrage. Demgegenüber erwägen nur 15 Prozent von ihnen Engagements in den USA; Asien ist sogar nur für etwa 7,5 Prozent von Interesse.

Bemerkenswert ist zudem die starke Eigenkapitalorientierung. Die gesetzliche Limitierung der Fremdkapitalaufnahme bei offenen Immobilienfonds erweist sich in der Praxis als wirkungsvolle Maßnahme zur Reduzierung von Finanzierungsrisiken. Interessant ist, dass dies von den Investoren offenbar keineswegs als Einschränkung angesehen, sondern vielmehr positiv bewertet wird. Denn in der Praxis scheinen die gesetzlichen Limits nur für wenige Fonds eine wirkliche Beschränkung darzustellen, während ein großer Teil ohnehin deutlich weniger Fremdkapital einsetzt als erlaubt – oder sogar komplett darauf verzichtet.

So kämen bei Neuinvestments reine Eigenkapitalfonds sowie Fonds mit maximal 30-prozentigem Fremdkapitalanteil für jeweils gut die Hälfte der Umfrageteilnehmer infrage, wogegen ein Fremdkapitalanteil zwischen 30 Prozent und 50 Prozent nur noch von gut einem Viertel erwogen wird. Die starke Eigenkapitalorientierung sichert den Fonds auch in solchen Phasen gute Chancen im Wettbewerb mit anderen Immobilienkäufern, wenn Banken bei der Vergabe von Immobilienfinanzierungen restriktiver agieren.

Bezüglich der Renditen gaben zwei Fünftel der Befragten an, dass sie bei neuen Fonds mit Ausschüttungsrenditen im Bereich von vier bis viereinhalb Prozent jährlich rechnen. Ein knappes Fünftel (17,5 Prozent) gäbe sich auch mit 3,5 Prozent bis vier Prozent zufrieden. 22,5 Prozent erwarten wenigstens eine Anfangsrendite von 4,5 Prozent, und 20 Prozent der Befragten wollen mit neuen Immobilienfonds-Engagements Renditen von mehr als fünf Prozent erzielen.

Die insgesamt relativ moderaten Renditeerwartungen korrespondieren mit einer insgesamt eher geringen Risikoakzeptanz: So kommen Core-Investments für mehr als 90 Prozent der befragten Investoren beim Ausbau ihrer Immobilienfondsanlagen infrage, während sich knapp zwei Drittel auch für Core-Plus-Objekte interessieren. Demgegenüber sind Investments der Risikokategorien Value-Add und Opportunistic nur für 12,5 Prozent beziehungsweise 7,5 Prozent der Investoren von Interesse.

ESG und Infrastruktur: Themenfelder mit Wachstumspotenzialen

Die skizzierten Marktentwicklungen und Investorenpräferenzen lassen insgesamt einen optimistischen Ausblick für das Segment der offenen Immobilienfonds zu. Selbst für den Fall, dass es im Jahr 2024 nach mehreren Jahren mit Rekord-Zuflüssen zu einer Stagnation oder zu Abflüssen kommen sollte, ist weder eine Abkehr der Investoren von der Assetklasse Immobilien noch ein Desinteresse an offenen Immobilienfonds zu erwarten. Vielmehr zeichnen sich bereits jetzt neue Wachstumspotenziale im Bereich der Sachwertanlagen ab, die sich teils mit der Assetklasse Immobilien decken und teils weitere Bereiche betreffen.

Das Wachstum erfolgt dabei entlang jener Merkmale und Kriterien, die auch für die Etablierung von Immobilien als Assetklasse in der institutionellen Kapitalanlage ausschlaggebend waren: eine vergleichsweise konservative Risikostruktur und mittel- bis langfristig gut prognostizierbare Erträge. So planen mehr als die Hälfte der befragten Investoren 2024, in Infrastruktur zu investieren, insbesondere in den Bereiche erneuerbare Energien sowie Transport und Verkehr. Hier gibt es nicht nur einen besonders hohen Investitionsbedarf, sondern zugleich auch besonders gute Möglichkeiten, ESG-konforme Investments zu strukturieren und umzusetzen. Schon heute erwarten die meisten Investoren bei Engagements in offenen Fonds wenigstens eine Klassifikation als Artikel-8-Fonds, für knapp ein Drittel sind zudem Impact-Fonds nach Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung von Interesse, während Artikel- 6-Fonds allenfalls noch eine Nischenrolle spielen.

Den Gastbeitrag finden Sie hier.