Immobilienmärkte sind in der Findungsphase
21. Okt 2022
Rudolf Kömen, Geschäftsführer der Intreal Luxembourg SA, über Entwicklung und Trends bei Immobilienfonds
Geopolitische Risiken, hohe Inflation, steigende Zinsen – Was bedeutet das für die Immobilienfonds? Rudolf Kömen, Geschäftsführer der Intreal Luxembourg SA, über die aktuellen Aussichten für die Branche.
Rudolf Kömen, seit dem Frühjahr 2021 ist Intreal auf dem Luxemburger Markt vertreten. Wie fällt die erste Bilanz aus?
Wir sind sehr froh über das, was wir bisher erreicht haben. Wir verwalten aktuell drei Fonds und domizilieren rund 50 Gesellschaften. Wir haben mittlerweile weitere Fonds im Onboarding und sind darüber hinaus in Verhandlungen für weitere Fondsauflagen. Das Geschäft läuft sehr gut. Insgesamt beläuft sich das verwaltete Vermögen derzeit auf 2,5 Milliarden Euro.
Warum ist Intreal eigentlich mitten in der Corona-Pandemie nach Luxemburg gekommen?
Intreal ist in Deutschland Marktführer als Immobilien-Service-VKG, die also ausschließlich auf die Auflage, Management und Administration von Immobilienfonds fokussiert ist. Vor diesem Hintergrund wollen wir auch in Luxemburg weiter wachsen, weil der Fondsstandort Luxemburg der zweitgrößte der Welt und der größte Europas ist und für Immobilienfonds die richtigen Strukturen anbietet. Hier können wir unserer bestehenden Kundschaft in Deutschland Luxemburger Produkte anbieten. Ein weiterer Grund ist, dass eine unserer besonderen Kompetenzen auf einem umfassenden immobilienspezifischen Reporting liegt. Internationale Asset Manager, die nach Deutschland wollen, brauchen diese Dienstleistungen. Das heißt, dass wir in Luxemburg in gewisser Weise das „Tor zur Welt“ für deutsche Immobilien-Asset-Manager sind, die internationale Kunden ansprechen, aber auch für internationale Asset Manager, die die Komplexität des deutschen Marktes abgebildet haben wollen.
Auf welche Strategie setzen Sie und wo legen Sie den Schwerpunkt?
Unser Fokus liegt auf Immobilien, in Luxemburg und international, und auf dem Know-how in den verschiedensten Immobilien-Segmenten. Wir werden künftig auch in die verwandten Geschäftsfelder Real Estate Private Debt und Infrastruktur einsteigen; wir befinden uns im Zulassungsverfahren für die Lizenz in diesen Asset-Klassen. Zudem sind wir auf Reporting-Services spezialisiert. So bieten wir zum Beispiel umfangreiche ESG-Services an.
Das ist ja aktuell ein großes Thema. Durch die verstärkte Regulierung wächst der Handlungsdruck auch im Immobilienmarkt. Bereitet Ihnen die ESG-Implementierung Kopfzerbrechen?
Das Thema ESG ist politisch sehr weit oben auf der Agenda und natürlich auch für uns sehr wichtig. Die Investoren in unseren Fonds achten immer stärker darauf. Bei der Implementierung einer ESG-Strategie müssen sehr viele Daten zu den gehaltenen Immobilien aus verschiedenen Systemen erhoben, zusammengeführt und in ein Reporting eingebracht werden. Diese Prozesskette muss aufgestellt werden. Hierfür sind Schnittstellen und andere IT-Leistungen notwendig. Nur wenn die
ESG-Anforderungen hinreichend dargestellt werden und der Kunde die Informationen abgreifen kann, wird er überhaupt noch investieren. ESG bringt also viele große Herausforderungen, denen wir uns dank unserer bestehenden IT-Systeme und unserem hauseigenen Know-how aber gerne stellen.
Wie wirkt sich die Zinserhöhung der EZB auf den europäischen Immobilienmarkt aus? Bringt das jetzt den Sektor ins Straucheln?
Die Inflation ist ja der Auslöser dafür, dass die Zinsen steigen. Man muss aber auf den Realzins blicken und der ist noch immer negativ, weil die Inflation höher ist als die angehobenen Zinsen. Deswegen sage ich: Die Zinsen verändern das Immobiliengeschäft, machen es anspruchsvoller. Aber mit einer qualitativ hochwertigen Immobilie, die schon vieles überstanden hat – von Inflation und Deflation bis hin zu Kriegsszenarien – kommt man auch mit veränderten Kreditrahmenbedingungen zurecht. Es gibt sicherlich Sektoren, die es in einem sehr in Aufruhr befindlichen Markt etwas schwieriger haben. Beispielsweise bei einer Projektentwicklung, wo das Haus erst gebaut wird. In diesem Fall ist es aufgrund der gestiegenen Zinsen, Lieferkettenprobleme und explodierenden Baukosten nicht mehr so einfach, künftige Verkaufserlöse oder Mieten zu kalkulieren wie das noch vor Kurzem der Fall war. Trotzdem glaube ich an die Immobilie als Asset-Klasse. Selbst wenn die Preise im Moment etwas in der Findungsphase sind, glaube ich, dass eine Inflation dazu führt, dass Immobilien eher einen Schutzfaktor als einen Risikofaktor darstellen – und das selbst bei höheren Zinsen.
Manche sprechen von einer Anbahnung einer Immobilienblase. Halten Sie das für übertrieben?
Wenn ich mir die Preisentwicklung 2022 am deutschen Markt ansehe, dann stelle ich fest, dass die Wohnimmobilien in manchen Städten leicht gesunken, in anderen Städten stabil geblieben sind. Und es gab auch Städte, in denen die Preise eine leichte Steigerung hatten. Es kommt also immer auf den Standort an. Natürlich: Wenn ein Markt sehr spekulativ war und sich hohe Immobilienpreise eingespielt haben, kann ich mir vorstellen, dass da die eine oder andere Korrektur kommt. Aber ich glaube nicht, dass das flächendeckend am Markt kommen wird, weil Immobilien nach wie vor eine attraktive Asset-Klasse sind, in schwierigen Zeiten und auch bei Inflation.
Experten gehen aber schon davon aus, dass es flächendeckend zu einer Abkühlung des Marktes kommen wird…
Aus meiner Sicht sind die Immobilienmärkte derzeit in der Findungsphase. Wir sehen Märkte, wo die Preise leicht nachgegeben haben. Wir sehen aber auch Märkte, wo sie gleichzeitig steigen. Und da wird Angebot und Nachfrage den Preis finden und damit den Markt regeln. Ich glaube, dass sich die Preise binnen Jahresfrist gefunden haben werden. Ich rechne dagegen nicht damit, dass sich die Preise viel niedriger finden werden. Ich denke sogar, dass es da einen gewissen Druck von institutionellen Anlegern geben wird, die jetzt noch abwarten, aber nicht ein oder zwei Jahre. Dann wird auch die
Nachfrage wieder auf den Markt kommen.
Es gibt in Luxemburg immer wieder diese Kritik, dass Immobilienfonds die allgemeinen Immobilienpreise nach oben treiben. Was sagen Sie dazu?
Das Problem am Luxemburger Immobilienmarkt ist nicht, dass es hier Immobilienfonds gibt, schon gar nicht, dass wir hier sind, wo wir ja eigentlich internationale Immobilien betreuen. Ich glaube, das Problem am Luxemburger Immobilienmarkt ist schlicht, dass das Land unglaublich viel Erfolg hat. Luxemburg ist in den vergangenen 30 Jahren von 400 000 auf
über 600 000 Einwohner gewachsen. Der Standort ist nach wie vor sehr attraktiv (auch aber nicht nur) für den Finanzsektor. Es ist der größte Fondsstandort Europas. Das zieht natürlich Gesellschaften wie uns hierher, um im internationalen Umfeld Geschäft zu betreiben. Und das führt zu einem ständigen Zuzug und auch dazu, dass hier Arbeitsplätze entstehen, was im aktuellen schwierigen Wirtschaftsumfeld ja auch sehr positiv ist. Das Land hat eine begrenzte Fläche, die ausgewiesenen Baugebiete haben eine gewisse Kapazität. Wenn dann große Nachfrage kommt, führt das zu höheren Preisen auf dem Immobilienmarkt.
Was ist mit Immobilienfonds in Zukunft drin? Welche Ziele setzen Sie sich?
Wir sehen derzeit Verschiebungen in den Unter-Asset-Klassen. Wohn- und Büroimmobilien, das war der Klassiker vor ein paar Jahren und ist auch heute noch eine attraktive Asset-Klasse. Dann gab es den Trend zur Logistik, weil die Corona-Pandemie einfach die Welt verändert hat. Logistikzentralen oder große Zentralen für Lieferdienste wurden sehr attraktive Immobilien. Derzeit denke ich, dass der eine oder andere Dienstleistungssektor sich wiederfinden wird. Alles, was mit Gesundheit zu tun hat, wie Pflegeheime, Ärztehäuser, Krankenhäuser oder Seniorenheime werden immer gebraucht. Da wird es eher noch mehr Nachfrage geben, auch aus rein demografischen Gründen.
Der Trend geht ja eindeutig zu mehr Homeoffice. Werden dadurch die Wohnimmobilienpreise steigen und die Büroimmobilien vielleicht leiden?
Es gibt einen gewissen Modernisierungsdruck auf diesem Markt. Es wird künftig sehr wichtig sein, dass man die gute Immobilie findet in der richtigen Lage, mit der richtigen Strategie. Die Immobilien werden energieeffizienter und damit auch kostenniedriger sein, zugleich aber auch ESG-konform. Es werden Strategien verfolgt, um in die Jahre gekommene Immobilien professionell aufzukaufen und zu modernen Büroimmobilien zu entwickeln, damit sie den ESG-Standards entsprechen. Von daher ist ESG sogar ein Wirtschaftsfaktor, weil dadurch ältere Immobilien modernisiert und verbessert werden.
Wenn man sich den Kirchberg anschaut, dort entstehen gerade viele moderne intelligente Büroimmobilien und trotz Pandemie, trotz Homeoffice, ist es ja eher so, dass die Flächen zu wenig sind als zu viel. Von daher glaube ich, dass es eine Veränderung gegeben hat in den Asset-Klassen bei der Immobilie, aber sogar innerhalb einer Asset-Klasse, zum Beispiel Wohnen versus altersgerechtes Wohnen oder altes Büro versus attraktives modernes Büro.
Wohin geht denn der Trend bei Gewerbeimmobilien und Kaufhäusern?
Die Innenstädte sind dabei, sich zu verändern. Dabei wird nicht nur der eine oder andere Laden verschwinden und die Immobilie leer stehen. Es ist auch so, dass sich der Markt insgesamt verändert. Die großen, unpersönlichen Geschäfte mit alten Konzepten sind am Verschwinden. Dafür sieht man sehr interessante neue Konzepte zum Teil in derselben, aber veränderten Immobilie, wo das Einkaufen zum Erlebnis wird und das abrundet, was man im Internet nicht findet. Da wird es grundlegende Veränderungen geben.
Die Städte werden sich wahrscheinlich neu erfinden und in fünf Jahren anders aussehen als heute. Sie werden mit größeren Erlebnissen anlocken, vielleicht auch mit intelligenter Gastronomie oder Gastronomie für die jüngere Klientel, mit Hotels, die sich stärker an budget-bewusste Kunden richten oder Shopping-Malls, die dann auch wirklich schön bewirtschaftet werden. Die Städte werden nicht leblos sein, sondern sich in dem großen Wettbewerb neu erfinden und attraktiver sein.
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