Offene Immobilienfonds blicken trotz Krisenfolgen vorsichtig optimistisch auf 2023
24. Jan 2023
Die Branche der offenen Immobilienfonds spürt die Auswirkungen der Krise am Immobilienmarkt, blickt aber dennoch vorsichtig optimistisch auf das neue Jahr 2023. Unter anderem werden die Krisenauswirkungen bei den sinkenden Mittelzuflüssen sichtbar. Bereits im Laufe des Jahres 2022 sind sie zurückgegangen und liegen im Zeitraum Januar bis November 2022 bei rund 4,7 Mrd. Euro – rund ein Drittel niedriger als im Vorjahreszeitraum. Aufgrund der Flaute am Transaktionsmarkt sind die Ankaufsprognosen für 2023 mit größerer Unsicherheit behaftet. Im Gegenzug profitieren die Fonds von robusten Mietmärkten, die mit steigenden Mieten einhergehen [1]. Betrachtet man die Gesamtheit der Fonds, werden vor allem Objekte der Nutzungsart Einzelhandel verkauft und im Gegenzug das Wohn-Exposure weiter ausgebaut. Auch der Logistik-Anteil wächst. In Sachen ESG steht die Umsetzung der neuen Regulierungsschritte aus dem letzten Jahr im Fokus. Seit August 2022 müssen auch die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (PAIs) berücksichtigt werden. Die meisten offenen Immobilien-Publikumsfonds sind aktuell nach Artikel-8-Plus der Offenlegungsverordnung klassifiziert [2]. Impact-Fonds bzw. Artikel-9-Fonds für Privatanleger werden auch 2023 nicht erwartet. Dies sind die Kernergebnisse der heutigen Online-Pressekonferenz Ausblick 2023: Welche Pläne haben Manager offener Immobilienfonds?, an der Michael Schneider, Geschäftsführer der INTREAL, Ulrich Steinmetz, Geschäftsführer der DWS Grundbesitz GmbH, Arnaud Ahlborn, Geschäftsführer der INDUSTRIA, und Michael Kohl, Head of Open Investment Funds bei der KGAL, teilnahmen.
INTREAL: Mittelzuflüsse und Renditen 2023 geringer erwartet Michael Schneider von der INTREAL analysiert die allgemeine Marktentwicklung. Er betont die stabile Performance der offenen Immobilienpublikumsfonds im Jahr 2022 im Vergleich zu Aktien- und Anleihefonds. „Das Nettofondsvermögen der Immobilienfonds ist laut Bundesbank zwischen Januar und November 2022 um 5,2 Prozent gewachsen, während es bei Aktienfonds um 10,5 Prozent und bei Rentenfonds um 17,5 Prozent zurückgegangen ist.“ Mit Blick auf 2023 sagt Schneider: „Wir erwarten eher geringere Mittelzuflüsse als 2022. Auch bei den Renditeerwartungen sind wir zurückhaltend. Die Wertänderungsrenditen werden nicht mehr den gleichen Beitrag zur Gesamtrendite leisten können wie in den letzten Jahren. Die Mieten steigen zwar deutlich, es ist aber fraglich, ob dies den ersten Effekt kompensieren kann.“ Zum Thema Impact-Fonds für Privatanleger sagt der INTREAL-Chef: „Wir rechnen nicht mit einem Impact-Produkt für Privatanleger im Jahr 2023. Artikel-9-Fonds sind aufgrund der vielen noch offenen Fragen und der Haftungsrisiken bei Publikumsfonds derzeit kaum realisierbar. Wir führen aber Gespräche über mehrere Fondsneuauflagen von Artikel-8-Plus-Fonds. Wann die Fonds konkret an den Markt kommen, ist aufgrund der großen Unsicherheit noch nicht festgelegt. Bessert sich die Marktlage, kann dies auch sehr schnell passieren.“
DWS: ESG und Diversifizierung anhaltend im Fokus Ulrich Steinmetz von DWS, die Immobilien-Publikumsfonds mit einem Nettofondsvermögen von 15 Mrd. Euro managt, hebt die Unterstützung durch den Mietmarkt hervor: „Diese federt die Folgen des angespannten wirtschaftlichen und geopolitischen Umfeldes ab. Wir erwarten steigende Mieten über alle Nutzungsarten hinweg. Am stärksten in den Segmenten Wohnen und Logistik. Die DWS-Fonds steigern ihren Wohnanteil schon seit Jahren und reduzieren ihren Büroanteil auch zugunsten einer noch breiteren Diversifizierung. Beim Grundbesitz Europa stieg der Wohnanteil beispielsweise von 3,0 Prozent im Juni 2019 auf 16,2 Prozent im Dezember 2022, und beim Grundbesitz Global von 2,8 auf 19,0 Prozent. Diese Entwicklung soll sich fortsetzen.“ Zudem betont Steinmetz die Bedeutung des Themas ESG: „ESG steht bei den Publikumsfonds anhaltend im Fokus und wird auch 2023 prägend sein. So schreibt die MiFID-II-Novelle vom August 2022 vor, dass auch die negativen Nachhaltigkeitsauswirkungen – so genannte PAIs oder Principle Adverse Impacts – erfasst werden. Dazu zählen beispielsweise Immobilien im Portfolio mit schlechter Energieeffizienz. Unser Ziel für 2023 und darüber hinaus ist es, nachteilige Auswirkungen zu reduzieren und ökologische Merkmale zu fördern. Hierfür werden weitere ESG-Maßnahmen in den Fonds umgesetzt wie etwa Optimierungen der Gebäudesteuerung und der Heizungs- und Klimatechnik sowie Fassadenmodernisierungen.“
INDUSTRIA will 2023 zwischen 50 und 150 Mio. Euro investieren Arnaud Ahlborn von INDUSTRIA erläutert die Pläne und Aussichten für den FOKUS WOHNEN DEUTSCHLAND, einen Fonds mit Fokus auf deutsche Wohnimmobilien mit einem Nettofondsvermögen von ca. einer Milliarde Euro. „Wir gehen davon aus, dass wir 2023 Immobilien zwischen 50 und 150 Mio. Euro ankaufen werden. Die aktuelle Unsicherheit erschwert Prognosen. Wir haben zudem für den Fonds 2022 viele Objekte angekauft. Insofern ist der Ankaufsdruck aktuell nicht sehr hoch. Wir werden 2023 planmäßig zunächst tendenziell gefördertes Wohnen ankaufen, da dies nach dem Zinsanstieg attraktiver geworden ist. Wir sind aber auch offen für frei finanzierte Wohnungen. Ich bin überzeugt, dass wir im zweiten Halbjahr – wenn sich der Markt gefunden hat – auch wieder frei finanzierte Wohnungen ankaufen.“ Ahlborn geht auch auf die Fremdfinanzierungssituation des Fonds ein: „Grundsätzlich profitieren Publikumsfonds in Zeiten steigender Zinsen von den niedrigen Fremdkapitalquoten. Der FOKUS WOHNEN DEUTSCHLAND hat aktuell eine Quote von 15,7 Prozent. Wir haben uns zudem bereits vor der Zinswende weitere Darlehen in Höhe von 90 Mio. Euro zu sehr günstigen Konditionen gesichert. Diese werden wir in den kommenden Monaten abrufen. Unsere Fremdfinanzierungsquote wird perspektivisch auf rund 25,6 Prozent ansteigen.“
Was den Vertrieb betrifft, ist der INDUSTRIA-Chef optimistisch: „Wir sind gut ins Jahr 2023 gestartet. Seit dem Jahreswechsel verzeichnen wir ansteigende Zuflüsse und zugleich sinkende Rückgabewünsche.“
KGAL erwartet Performance auf dem Niveau der Vorjahre Michael Kohl von der KGAL stellt die Pläne für den KGAL immoSUBSTANZ vor, einen Publikumsfonds mit einem Fondsvermögen von rund 69 Mio. Euro mit Fokus auf Büro und Nahversorgung. „Der Fonds wurde 2019 aufgelegt und ist noch in der Aufbauphase. Wir beobachten 2023 unsere Zielmärkte Deutschland, Österreich, Frankreich, UK in den wichtigen Nutzungsarten Büro und Einzelhandel. Durch vorhandene Liquidität sind wir handlungsfähig. Unser Ziel ist es 2023 weitere 50 Mio. Euro netto einzuwerben. Außerdem wollen wir unseren Vertrieb stärken und 25 neue Vertriebspartner gewinnen.“
Die KGAL beobachtet aber auch Segmente außerhalb des Immobilienmarktes: „Wir bereiten derzeit einen offenen Infrastrukturfonds für Privatanleger vor, der in Photovoltaik- und Windkraftanlagen investieren wird. Wir sehen hierfür großes Nachfragepotenzial.“
Im Rahmen des Mandats hat die INTREAL Solutions ein umfassendes nutzungsarten- und länderspezifisches Scoring-Modell entwickelt, das mit vielfältigen Indikatoren ein globales Portfolio überwacht und steuert: Neben gängigen Risikoindikatoren im makroökonomischen Bereich wie Inflation, Zinsentwicklung oder Miet- und Wirtschaftswachstumsraten werden auch individuelle Objekt- und ESG-Risiken bewertet. Das Ergebnis wird in einer Rendite-Risiko-Matrix abgebildet. Das Mandat umfasst neben der Etablierung aller notwendigen Prozesse auch die IT-seitige Implementierung des neuen Systems.
[1] Quelle: DWS, Präsentation Herr Steinmetz.
[2] https://www.fondsprofessionell.de/sachwerte/news/headline/scope-studie-wie-nachhaltig-sind-immobilienfonds-218473/
Pressemitteilung zum Download: hier